Von Jakob Glassner
Als ich am Sonntag, den 28. Juni 2015, in Sizilien am
Flughafen Cantania – Fontanarossa
ankam, war ich sehr gespannt, was ich in den folgenden zwei
Wochen erleben würde. Ich wusste nur, dass es in diesem Projekt darum geht,
verlassene Kinder zu betreuen, aber ich hatte keine Ahnung, wie die Situation
der Kinder wirklich ist.
Aber ich beginne ganz von vorne:
So also stand ich allein am Flughafen in einer fremden
Stadt, voll mit fremden Menschen, die eine fremde Sprache sprechen. Es war das erste Mal, dass ich ganz allein
verreiste, und es war echt ein tolles Gefühl, aufregend und abenteuerlich. Als
mein Projektpartner Matthias ebenfalls ankam, ging es auch schon los. Unser
Fahrer und sein 8 jähriger Begleiter Giacchomo begrüßten uns herzlich und
nachdem wir unser Gepäck im Auto verstaut hatten, begann eine recht amüsante
Fahrt durch die Straßen und Gassen Catanias. Giacchomo war sehr neugierig, er
begann sofort mit uns zu reden, doch wir verstanden nur sehr wenig, da unsere
Italienisch Kenntnisse sehr beschränkt waren. Aber ich weiß noch genau, dass
eine seiner ersten Fragen war, ob ich Eltern habe. Als ich mit „Ja“ antwortete,
kam es mir so vor, als wäre er kurz in traurigen Gedanken. Er schwieg eine
Weile und es schien so, als wäre es ihm peinlich. Doch dann lächelte er wieder
und fing an, mit uns die italienschen Zahlen zu üben. Ich muss heute immer noch
über diesen kurzen Moment nachdenken.
Nach ca. einer halben Stunde Fahrzeit erreichten wir
schließlich unseren Projektstandort. Wir wurden sehr freundlich von Schwester
Rosalia, die die Verantwortung über das Projekt hat, empfangen und bekamen
sofort einen „kleinen Imbiss“. Danach bezogen wir unser gemeinsames Zimmer und
erholten uns erst einmal von der langen Reise. Am Nachmittag versuchte ich,
mich in dem Labyrinth von Stiegen, Fluren und Hallen des Gebäudes
zurechtzufinden, und so traf ich Seyadur. Seyadur stammt aus Bangladesch und
ist der Portier dort, und er erklärte mir, wie der Tagesablauf ungefähr
aussehen würde. Wir redeten lange miteinander und hatten aufgrund von
sprachlichen Schwierigkeiten und Missverständnissen eine Menge Spaß. Im Laufe
der zwei Wochen ist Seyadur ein guter Freund geworden, sowohl für mich als auch
für Matthias.
Am späten Nachmittag wurden wir eingeladen, gemeinsam mit
ein paar der Kinder in die Stadt zu fahren. An diesem Tag war nämlich ein
besonderes Fest in Catania, die Leute spazierten auf der Straße, die extra
gesperrt worden war, und ließen all ihre Sorgen hinter sich. Die Sonne war
schon fast untergegangen, es war aber trotzdem hell und warm, gleichzeitig weht
einem die Salzluft des Meers in die Nase und man nimmt sich Zeit um all dies
bei einem leckeren Eis zu genießen. Aus den Cafés und Restaurants strömte
angenehmer Geruch und ab und zu drangen Klänge eines Musikinstrumentes an
unsere Ohren. Es war einfach eine gemütliche Stimmung, wie ich es aus
Österreich nicht kenne. Es war wirklich schön. Schließlich fuhren wir zurück
und dann gab es Abendessen, welches diesen besonderen Tag abrundete.
Zum Projekt „Le Carerre del Sole” muss ich noch sagen, dass
es eine Wohngemeinschaft für verlassene Kinder ist, die von Klosterschwestern
gegründet wurde. Deshalb ähnelte das Gebäude von innen mehr einem Kloster als
einem Wohnhaus und es gab sogar eine hauseigene Kirche. Wir hatten während der
zwei Wochen oft Gespräche mit Schwester Rosalia, die ebenso für sie wie als auch
für uns erheiternd waren.
Am Nächsten Tag begann unsere Arbeit als Betreuer und wir
lernten nun die Kinder kennen, mit denen wir die nächsten Tage verbringen
würden. Einige stürmten sofort auf uns zu und umarmten uns, andere hielten sich
anfangs noch zurück, aber als das tägliche Tanzprogramm startete, sprangen alle
herum und wollten mit uns tanzen. Es war für uns alle ein großer Spaß. Danach
war Spielzeit, die Kinder konnten nun ihre Zeit bis zum Mittagessen frei
gestalten.
Ich blieb bei den Jüngeren und war viel damit beschäftigt,
sie auf meinem Rücken herum zu tragen. Sie haben mir nach kurzer Zeit einen
Spitznamen gegeben, sie nannten mich „Cavallo“, was „Pferd“ bedeutet. Ich
musste sie natürlich auch fangen und dann wieder vor ihnen davonlaufen und
immer so weiter. Es war unglaublich anstrengend, aber es erfüllte mich auch mit
großer Freude.
An anderen Tagen gab es ein fixes Programm, wie zum Beispiel
Kanu fahren oder zum Strand schwimmen gehen. Die Tagesabläufe waren sehr gut
geplant und abwechslungsreich gestaltet, es war wirklich niemals langweilig.
Einmal machten wir sogar einen Ausflug zum ETNA, die Aussicht dort ist wirklich
etwas Einzigartiges.
Das Highlight der ersten Woche war der Freitag, denn wir
sind mit allen Kindern in den Wasserpark nach Siracusa gefahren, selbst
Schwester Rosalia war dabei. Es war wirklich ein toller Tag.
Aber man darf neben dem ganzen Spaß nicht vergessen, dass
diese Kinder keine richtige Familie haben. Und genau deswegen halten sie alle
zusammen, dort hilft jeder jedem. Ich
habe gespürt, dass viele sich nach Geborgenheit sehnen, denn sie halten sich
ständig an jemand anderen fest, selbst die Älteren. Sie sind zu uns gekommen
und haben sich einfach auf unseren Schoß gesetzt oder uns umarmt. Das war für
uns alle einfach selbstverständlich. Manchmal hilft eine Umarmung mehr als
tausend Worte, das habe ich dort gelernt.
In der zweiten Woche starteten die Proben für das “Spettacolo“,
das große Spektakel, welches am Freitag stattfinden würde. Es wurde tanzen
geübt und ein Theaterstück einstudiert, alle Kinder wurden eingeteilt. Matthias
malte dafür schöne Bilder, die die Kinder begeisterten. Matthias ist
künstlerisch hochbegabt und er beeindruckte uns alle mit seinen musikalischen
Fähigkeiten, die er mit seiner Gitarre, diversen Mundharmonikas und seiner
Stimme darbot. Er versteht es einfach, die Herzen seiner Mitmenschen zu erobern
und er verbreitet immer gute Laune. Niemals verweigerte er uns ein Ständchen,
auch wenn er oft ziemlich müde war und eigentlich schlafen wollte. Die Kinder
liebten ihn und ich bin echt froh, dass ich so einen tollen Projektpartner
hatte. Auch ihn bezeichne ich nun als echten Freund.
Natürlich machten wir auch in der zweiten Woche Ausflüge ans
Meer, spielten und tanzten gemeinsam und lernten die Kinder noch besser kennen.
Doch ich bemerkte, dass die Kinder zunehmend nervöser wurden, je näher der
Freitag kam. Auch ich wurde es, denn der Freitag würde der letzte Tag für
Matthias und mich in diesem Projekt sein, und ich wollte nicht weg von dort.
Doch schließlich war es soweit. Das Spektakel fand am Abend
statt und es war wirklich unglaublich faszinierend. Es waren viele Besucher da,
Verwandte und Freunde der Kinder. Dann kam die Abschlussrede von Schwester
Rosalia, in der sie auch uns beide verabschiedete. Die Kinder rannten auf uns
zu und umarmten uns. „Geht nicht! Bleibt hier !“ riefen sie und als ein kleines
Mädchen Tränen weinte, konnte ich meine auch nicht mehr zurückhalten. Es war so
ein trauriger Moment, der Traurigste, den ich erlebt habe. Ich habe ihnen mein
Versprechen gegeben, dass ich sie wieder besuche. Und das werde ich.
Rückblickend kann ich sagen, dieses Projekt zu machen war
eine meiner besten Entscheidungen in meinem Leben und ich habe so viel gelernt.
Die Fülle an Emotionen und Erinnerungen, die mir von diesem Projekt bleiben,
ist nicht in einem kurzen Bericht wie diesem festzuhalten. Ich glaube, ich kann
ebenso für Matthias sprechen, wenn ich sage, dass dieses Projekt uns verändert
hat und es auch eine kleine Reise in uns selbst war. Es ist eine Erinnerung
fürs ganze Leben. Danke an die
Organisatoren vom Bauorden, dass ihr dieses Projekt ermöglicht habt.
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